„Staubprävention wird noch mehr Raum einnehmen“ | Nilfisk
Oktober 17, 2022

„Staubprävention wird noch mehr Raum einnehmen“


Interview mit Walter Gunreben, Referent für Staubschutzmaßnahmen im Referat Gefahrstoffe der BG Bau

Kategorien: NF News Article

Abreißen, Bohren, Sägen – wer auf dem Bau arbeitet, hat ständig mit Staub zu tun. Und der ist nicht nur lästig, sondern auch gefährlich. Die BG Bau hat sich als eine der großen Berufsgenossenschaften in Deutschland schon seit Jahren dem Thema Staubprävention verschrieben. Walter Gunreben ist Mitglied des Referats Gefahrstoffe und steht im Interview mit dem Reinigungsexperten Nilfisk Rede und Antwort zu aktuellen Fragen beim Thema Staubschutz. 

Nilfisk: Gibt es Veränderungen hinsichtlich der Vorschriften im Umgang mit Staub?

Staubschutzmaßnahmen als solche werden schon lange eingefordert. Aber besonders in den letzten Jahren hat das Thema an Fahrt aufgenommen. Der Auslöser dafür war die deutliche Absenkung der Grenzwerte seit dem Jahr 2014. Zwei wichtige Beispiele dazu: Der Grenzwert für alveolengängigen Staub, der bis in die Lunge gelangt, liegt nur noch bei 1,25 Milligramm pro Kubikmeter und für quarzhaltigen alveolengängigen Staub bei 0,05 Milligramm pro Kubikmeter. Letzterer stellt die größte Herausforderung für das Baugewerbe dar. Denn die meisten Baustoffe mineralischer Art enthalten Quarz, wie etwa Ziegel, Fliesen oder Beton. Bei der Verarbeitung entsteht also zwangsläufig quarzhaltiger Feinstaub. Somit rückten geeignete Maßnahmen zum staubarmen Arbeiten und auch zur Überwachung eben dieser noch stärker in den Fokus. In diesem Zusammenhang wurde erst im April 2020 eine neue technische Regelung für Gefahrstoffe veröffentlicht:  TRGS 559 „Quarzhaltiger Staub“. Sie beschreibt genau, worauf Handwerker achten müssen und legt Mindestmaßnahmen fest, wie zum Beispiel die Verwendung eines Entstaubers der Staubklasse M, wenn mit mineralischen Baustoffen gearbeitet wird.

Nilfisk: Entstauber der Staubklasse M werden von der BG BAU bereits seit 2013 gefördert. Wie nimmt das Handwerk dieses Angebot an?

Während wir zu Beginn noch um die 3.600 M-Entstauber bezuschusst haben, sind es heute mehr als doppelt so viele. Es gibt auch Betriebe, die sich schon zum zweiten oder dritten Mal dasselbe Produkt fördern lassen, weil sie von der Funktionsweise überzeugt sind. Das ist auch ein wichtiger Aspekt für all unsere Förderprogramme: Wir subventionieren keine Standardprodukte, sondern nur Geräte, die unseren Anforderungskatalog erfüllen. Eine Vielzahl davon testen wir selbst. Denn wir möchten, dass die Handwerker mit den Produkten die Erfahrung machen, dass staubfrei auch unkompliziert geht. Nur so erzielen wir ein langfristiges Umdenken und stimulieren zusätzlich den gesamten Markt. Denn insgesamt hat sich der Absatz von Bauentstaubern in den letzten Jahren deutlich erhöht. 2013 hatten Fachhändler M-Entstauber noch nicht einmal auf Lager, heute gehören sie zum Standard – sogar in Baumärkten. Das ist das Ergebnis verschiedenster Maßnahmen rund um das Thema Staubschutz, nicht nur durch die BG Bau, sondern auch durch diverse Branchenverbände und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Nilfisk: Wie bewerten Sie momentan den Wissensstand im Handwerk zu den Gefahren von Staub?

In den letzten Jahren hat sich zwar einiges getan, aber ich habe trotzdem nicht die Befürchtung, dass mir die Arbeit ausgeht. Grundsätzlich gibt es sehr viele Betriebe, die vorbildlich mit dem Thema umgehen. Das sieht man ja auch an der Entwicklung unseres Förderprogramms. Bei vielen Unternehmen fehlt es aber immer noch an Sensibilität, Know-how oder Erfahrung. Und auch in der öffentlichen Wahrnehmung erhält ein Arbeitsunfall mit unmittelbaren Folgen, etwa durch einen Sturz, mehr Aufmerksamkeit als Berufskrankheiten wie Lungenkrebs. Ich denke, dieses Thema wird uns in nächster Zeit noch mehr beschäftigen. Denn aktuell berät der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten des BMAS über die Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD) durch Quarzstaub als Berufskrankheit. Allein in Deutschland leiden rund 6,8 Millionen Menschen an COPD und berufsbedingte Belastungen durch Dämpfe, Chemikalien, Staub oder andere Schadstoffe sind bei circa 15 bis 20 Prozent die wahrscheinliche Ursache (Quelle: www.copd-aktuell.de). Das sind Zahlen, die uns genug Anlass geben, weiterhin Aufklärungsarbeit zu leisten. Das Thema Staubprävention wird also noch mehr Raum einnehmen.

Nilfisk: Neben der Minimierung gesundheitlicher Risiken – welche Vorteile ergeben sich noch durch staubarme Arbeitsvorgänge?

Das sind ganz unterschiedliche Aspekte. Zum einen bringen Betriebe, die aktiven Staubschutz betreiben, ihren Mitarbeitern Wertschätzung entgegen. Ein sauberes und sicheres Arbeitsumfeld ist besonders in Anbetracht des Nachwuchs- und Fachkräftemangels nicht ganz unerheblich. Ebenso erfüllen sie so auch die Ansprüche ihrer Kunden – sei es im industriellen oder privaten Umfeld. Wer heute beispielsweise sein Bad saniert, möchte den Rest des Hauses trotzdem ohne Beeinträchtigungen bewohnen können. Saubere, staubarme Arbeitsvorgänge zahlen also auf das Image ein. Und auch zwischen den einzelnen Gewerken auf einer Baustelle hat sich die Erwartungshaltung verändert, nach dem Motto „Staub mich nicht ein“. Und nicht zuletzt werden dadurch auch die Maschinen geschont.


Nilfisk: Werden Baustellen auch hinsichtlich des Staubschutzes kontrolliert?

Normalerweise besuchen unsere Aufsichtspersonen eine Baustelle ereignisunabhängig – entweder fest terminiert oder zufällig. Jährlich finden rund 200.000 Betriebsbesichtigungen statt, oft auch ganz spontan, z.B. wenn ein neuer Kran irgendwo in der Landschaft entdeckt wird. Bei der Begehung werden dann ganz unterschiedliche Aspekte angesprochen. Das reicht von fehlenden Gerüsten bis zur Staubwolke. Im Gefahrstoffbereich ist Staub aber sicher das Thema Nummer eins und insgesamt genauso wichtig wie Absturzsicherungen oder die elektrische Sicherheit.


Nilfisk: Welche Folgen kann es haben, wenn gesetzliche Vorgaben nicht eingehalten werden?

Das hängt davon ab, wie schwerwiegend die Beanstandung ist. Bei leichten Verstößen erstellt die Aufsichtsperson einen Besichtigungsbericht mit der Auflage, die Mängel abzustellen. Ist eine Baustelle aber überhaupt nicht tragbar – was durchaus auch vorkommt – müssen die Tätigkeiten entweder in Teilgewerken oder sogar komplett eingestellt werden. Die Arbeit kann dann erst fortgesetzt werden, wenn eine Nachbesichtigung oder eine Freimeldung z.B. anhand von Fotos erfolgt ist. Dieser Arbeitsstopp wiegt wegen des Zeitdrucks auf Baustellen häufig schwerer als Bußgelder, die ebenfalls verhängt werden können. Ihre Höhe orientiert sich in etwa an den Einsparungen durch das Ausbleiben von Maßnahmen. Fehlt auf einer Baustelle beispielsweise ein Gerüst, entspricht das Bußgeld auf jeden Fall mindestens den Kosten dafür.

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